Vorratsdatenspeicherung

Kein Zweifel – der Anschlag auf Charlie Hebdo war eine Tragödie für alle Betroffenen. Und einmal mehr sieht man, wozu Fanatismus unter dem Deckmantel der Religion Menschen bringen kann.
Aber genau deshalb müssen wir uns einfach vergegenwärtigen und akzeptieren, dass es keine 100%ige Sicherheit geben kann. Niemand kann verhindern, dass ähnliche Attentate vielleicht schon morgen bei uns passieren – egal, was uns diverse Sicherheitsbehörden einzureden versuchen.

Dem Anlass entsprechend ist es auch wenig erstaunlich, dass Frau Merkel jetzt wieder das Pseudo-Allheilmittel „Vorratsdatenspeicherung“ ins Gespräch bringt. Und wie zu erwarten, stimmen alle verfügbaren Bundes- und Landesinnenminister sowie die Deutsche Polizeigewerkschaft erfreut in diese sinnlose Diskussion mit ein.
Was soll das?
Eine Vorratsdatenspeicherung hätte solch ein Attentat weder verhindert noch hätte sie im Nachhinein die Fahndung erleichtert. Oder glaubt unsere Führungselite tatsächlich, dass der gemeine Attentäter (Terrorist, Islamist oder welcher Gesinnung auch immer) tatsächlich vor seinem Anschlag bei der Attentäterzentrale anruft und seinem Ober-Attentäter mitteilt, dass er jetzt waffenbestückt das Haus verlässt? Oder dass er danach seinen Attentats-Betreuer telefonisch oder per SMS darüber informiert, in welches seiner Verstecke er sich begibt? Nein, wohl eher nicht. Bis heute haben weder Politik noch Polizei tatsächliche Zahlen vorgebracht, wie viele Attentate durch eine Vorratsdatenspeicherung verhindert oder aufgeklärt wurden oder hätten verhindert werden können.
Frankreich zählt schon heute zu den europäischen Ländern mit den schärfsten Sicherheitsgesetzen. Und haben diese das Attentat verhindert?

Nicht umsonst erklärte unser Bundesverfassungsgericht bereits 2010 in einem Grundsatzurteil die Vorratsdatenspeicherung für „schlechthin unvereinbar mit dem Grundgesetz“ und legte die Hürde für eine solche Speicherung sehr hoch.
Darüber hinaus kippte im Jahr 2014 der Europäische Gerichtshof die Entwürfe zur Vorratsdatenspeicherung als einen „Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten“.
Sprich: nein, das dürft Ihr nicht. Ein deutlicheres „nein“ geht eigentlich gar nicht mehr. Es ist also laut höchster deutscher und europäischer Rechtssprechung nicht zulässig, grundsätzlich alle Einwohner unter Generalverdacht zu stellen und ihre Verbindungsdaten ohne jeden Anlass mitzuprotokollieren. Wir sind demnach nicht alle standardmäßig terrorverdächtig. Gut zu wissen. Und ich denke doch, dass diese deutliche Aussage auch bei unserer Regierung angekommen sein sollte … oder?

Man kann Frau Merkel so manches nachsagen, aber selbst ihre Kritiker müssen zugeben: dumm ist sie ganz sicher nicht. Sie weiß deshalb genau was sie tut und daher muss ihr klar sein, dass sie – nicht mal zum jetzigen Zeitpunkt nach Charlie Hebdo – in ihrer bekannt-alternativlosen Art solch ein Vorhaben wie die Vorratsdatenspeicherung durchsetzen kann. Auch wenn sie noch so oft ihr Mantra „vom sinnvollen Mittel zur Vermeidung von Anschlägen und der Ergreifung der Täter“ verbreitet – falsche Aussegen werden durch Wiederholung nicht richtig. Sie muss wissen, dass sie damit nur heiße Luft produziert – was sie sonst eigentlich gerne vermeidet (zumindest sie selbst in der Öffentlichkeit; üblicherweise schickt sie dafür einen ihrer Minister nach vorne und hält sich selbst unsichtbar im Hintergrund.).
Was also plant sie?
So zu tun, als wolle sie die Vorratsdatenspeicherung einführen, nur um das Thema später wieder öffentlichkeitswirksam fallen zu lassen, weil sie sich die „Bedenken der Leute zu Herzen nimmt“?
Das Thema einfach periodisch bei jeder halbwegs passenden Gelegenheit hervorkramen? Irgendwann bekommt sie’s dann schon durch – frei nach dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein“?
Sich für den Fall eines erneuten Attentates absichern, indem sie dann sagen kann „Ich wollte ja, aber durfte nicht“?
Oder gilt es einfach nur, irgendeine Art von symbolischem Aktionismus zu zeigen, da sie sonst gerade nicht weiß, wie sie mit der Situation umgehen soll?

Ein sehr schöner Kommentar dazu findet sich hier beim Stern.

Darüber hinaus bringt ein Zitat aus einer gemeinsamen Erklärung von Chaos Computer Club (CCC), der Humanistischen Union, dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein und der Digitalen Gesellschaft die Sache auf den Punkt:
„Menschen- und Freiheitsrechte sind der Kern und das Wesen demokratischer Gesellschaften. Wer sie in Folge solcher Mordanschläge einschränkt, hilft indirekt den Terroristen.“

Ich glaube, dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

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